Andreas Broeckmann
im Gespräch mit Heike Borowski
E-mail-Interview, März 2005
HB: Herr Broeckmann, Sie leiten künstlerisch die transmediale im fünften Jahr. Haben sich in dieser Zeit die von Ihnen angestrebten inhaltlichen Neuerungen/ Veränderungen zu Ihrer Zufriedenheit realisieren lassen?
AB: Die transmediale ist, wie alle kulturellen Projekte, ein ständiges ‘work in progress’ und reagiert auf ein sich veränderndes gesellschaftliches und technologisches Umfeld. Wir hatten ja 2001 auch keine radikalen Brüche vor, sondern es ging um eine inhaltliche Fokussierung und klarere Strukturierung des Programms. Es ist aus meiner Sicht in den letzten Jahren gelungen, dem Festival ein interessantes neues Profil zu geben, das vom Publikum, von Fachleuten, KünstlerInnen und vom breiteren, kunstinteressierten Publikum angenommen wird. Die steigenden Besucherzahlen und das positive Feedback zu unseren thematischen und ästhetischen Ansätzen deuten an, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
HB: Bevor Sie die künstlerische Leitung der Transmediale übernahmen, haben Sie fünf Jahre für die Institution V2 gearbeitet, welche das alle zwei Jahre stattfindende Dutch Electronic Art Festival (DEAF) ausrichtet, ebenfalls eine der wichtigsten Plattformen für die Auseinandersetzung mit Kunst mit digitalen Medien. Ist es für Sie schwierig, sich abzugrenzen bzw. ein transmediale-eigenes Profil herauszustellen?
AB: Es ist nicht schwer gefallen, bei der transmediale ein eigenes Programmprofil zu entwickeln. Wenn man die Arbeit von V2 kennt, dann weiss man, dass dort ein wichtiger Schwerpunkt auf den Zusammenhang von Kunst und wissenschaftlich-technologischer Forschung und Entwicklung gelegt wird; deshalb spielen im Rahmen von DEAF auch Workshops und Master-Classes eine besonders wichtige Rolle. Dagegen gibt es dort kein Video-Programm, keinen Wettbewerb, und auch die umfangreiche Programmschiene der Künstlerpräsentationen und Lectures, die wir in den letzten Jahren verstärkt entwickelt haben, hat dort kein echtes Äquivalent. Es war von Anfang an unser Ziel, die transmediale zu einer offenen, vielfältigen Großveranstaltung zu machen, die sich an ein internationales Publikum richtet. Die Geschichte des Festivals, das Berliner Umfeld, die zahlreichen Partnerveranstaltungen und auch unsere Themensetzungen haben dazu geführt, dass die transmediale heute einen recht einmaligen Charakter hat.
HB: Welche Bilanz lässt sich bezüglich der transmediale.05 ziehen?
AB: Ganz unbescheiden gesprochen, sind wir selber sehr zufrieden mit dem Festival, denn die Besucherzahlen von 24.000 für das Festival und 11.000 für unsere wichtigste Partnerveranstaltung, den Club Transmediale, bedeutet eine Steigerung von über 15% gegenüber dem Vorjahr. Wir sehen das als Zeichen für einen wachsenden Zuspruch für das, was wir tun, und wie wir es tun. Die Presse hat durchweg positiv auf das Festival reagiert und hat sich, anders als in den Vorjahren, in noch größerem Maße inhaltlich mit dem Programm auseinander gesetzt. Die Kritik ist qualifizierter geworden, und das ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Inhalte des Programms und ihre Vermittlung gut gelungen sind. Es war voll, KünstlerInnen und BesucherInnen waren zufrieden, und wir haben mit den Veranstaltungen einige interessante Debatten auslösen können.
HB: Sie hatten dieses Jahr, im Gegensatz zu den Vorjahren, eine zusätzliche staatliche Unterstützung von 450.000 Euro. Welche Möglichkeiten haben sich dadurch ergeben und wie haben sich diese im Vorfeld auf die gesamte Festivalplanung ausgewirkt?
AB: Das Festival hatte in den Vorjahren eine Basisförderung aus dem Hauptstadtkulturfonds von 200.000 Euro, die wir im Jahr 2004 zum Beispiel mit zusätzlichen Geldern auf 420.000 Euro Gesamtbudget aufstocken konnten. Die neue Förderung der Kulturstiftung des Bundes beträgt 450.000 Euro jährlich, auf die wir in diesem Jahr aufbauen konnten, sodass wir ein Gesamtbudget von ca. 650.000 Euro erreicht haben. Das ist substanziell mehr als vorher und verschafft uns entscheidende Spielräume bei der Programmplanung und Durchführung, ist aber nicht so viel, dass wir plötzlich im Geld schwimmen würden. Die Förderung hat einige größere Projekte möglich gemacht, wie die Installationen von Marnix de Nijs, von Mikami/Ichikawa und von Thom Kubli, sowie die Reihe audiovisueller Performances, die an drei Abenden jeweils über 600 BesucherInnen gesehen haben. Darüber hinaus bietet uns die Förderung durch die KSB die Möglichkeit, im Jahr 2006 und 2008 größere Medienkunstausstellungen zu präsentieren.
HB: »Basics« lautete das diesjährige Festivalmotto. Wie sich bereits während des Festivalverlaufs abzeichnete, gingen sowohl die Erwartungen als auch die Meinungen diesbezüglich auseinander, erwartete ein Teil des Publikums doch durchaus ein stärkeres Einbeziehen von Aspekten die klassisch verstandene Kunst betreffend, nicht nur der Medienkunst.
AB: Das ist eine interessante Einschätzung, die ich bis dato noch nicht gehört hatte - da muss der von Ihnen zitierte Teil des Publikums wohl an mir vorbei gegangen sein. Uns ging es mit dem Thema ‘Basics’ um zweierlei: auf der einen Seite wollten wir zu einer allgemeinen Diskussion über die Rolle der Ethik in der heutigen Gesellschaft anregen, vor allem in Hinsicht auf die Anwendung und Entwicklung neuer Technologien. Und auf der anderen Seite wollten wir anhand ausgewählter künstlerischer Projekte und Positionen deutlichen machen, dass es sehr unterschiedliche Formen von ‘Basics’ gibt, je nach dem, in welcher Lebenssituation jemand sich befindet - das geht von no-tech Bedürfnissen bis hin zu high-tech Anwendungen. Ganz dezidiert ging es uns darum, deutlich zu machen, dass es kein Zurück, kein ‘Back to Basics’ geben kann, sondern nur um die Bestimmung des heute Grundsätzlichen, der ‘Next Level Basics’. Insofern war die Enttäuschung der von Ihnen angedeuteten Erwartungen von ‘mehr klassischer Kunst’ vielleicht programmatisch. Obwohl natürlich Arbeiten wie die von Thomas Locher, Thomas Köner oder Alice Miceli durchaus keine ‘Medienkunst’ im engeren Sinne darstellen.
HB: »Die technischen Grundlagen wurden erlernt und sind in ausreichendem Maß vorhanden, nun kann man sich auf die Inhalte konzentrieren«, so könnte man eines der Fazite des Festivals benennen. Wie würden Sie dies zusammenfassend beschreiben? Können Sie explizit Beispiele benennen?
AB: Nun, das ist ja schon eine arg verkürzte These, die weiter zusammen zu fassen wenig Sinn macht, oder? Ich weiss auch nicht, wer dieses ‘Fazit’ gezogen hat, denn von uns ist dies nur als Provokation im Vorfeld des Festival formuliert worden. Die Hypothese wäre, dass technisches Equipment und technisches Know-How heute wesentlich leichter verfügbar ist als noch vor zehn Jahren, und dass sich deshalb auch die künstlerische Arbeit mit digitalen Technologien verändert hat. Während in der Vergangenheit viel Aufmerksamkeit auf die pure technische Funktionalität verwendet werden musste und die inhaltliche Arbeit oft auf der Strecke blieb, gibt es heute die Möglichkeit, dieses Verhältnis auch bei technisch anspruchsvollen Projekten um zu drehen. - Ich habe selber dazu noch keine abschließende Meinung.
HB: Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation der medienkünstlerischen Produktion, welche Tendenzen sind zu verzeichnen und in welcher Hinsicht werden Ihrer Meinung nach Schwerpunkte und Akzente zu finden sein?
AB: Es ist kurios, dass man immer wieder nach Tendenzen und Schwerpunkten gefragt wird, wo doch das Feld der Kunst - für jeden sichtbar - ein immens vielfältiges, unübersichtliches Gewimmel aufzeigt, in dem Muster und Strukturen nur temporär und sektoriell begrenzt auftreten. Natürlich gibt es immer den Wunsch, solch ein Feld zu beschreiben und die ‘Hauptlinien’ nach zu ziehen, aber das macht, wenn überhaupt, meines Erachtens nur mit einigem historischen Abstand Sinn. Und auch dann stellt sich die Frage, inwieweit der verengte Horizont des Kartographen das Bild maßgeblich mit bestimmt. - Was wir gelernt haben in den letzten Jahren ist, dass es ein diffiziles Zusammenwirken der Lebenssituation von KünstlerInnen, medienkünstlerischer Ausbildung an Hochschulen, freien Produktionsmöglichkeiten, Förderungen, Festivals und Ausstellungen, Online-Diskussionsforen und einer (viel zu schwachen) Kunstkritik gibt, die allesamt die Produktion von Kunst mit bestimmen. Eine allgemeine Tendenz läßt sich daraus meines Erachtens gegenwärtig nicht ablesen.
HB: »Fly Utopia!«, »Play Global!«, so die Mottos der vergangenen Festivals. Wann haben Sie die Idee für den Imperativ der transmediale im kommenden Jahr?
AB: Wie das ‘Basics’-Motto in diesem Jahr zeigt, sind wir nicht sklavisch an den Imperativ gebunden. Der Aufforderungscharakter der Motti hat den Vorteil, dass man das Publikum unmittelbar anspricht und den Wunsch des Festivals unterstreicht, dass die beiteiligten KünstlerInnen wie die BesucherInnen sich einmischen in kulturelle Prozesse, wie sie im Programm exemplarisch vorgeführt werden. Die transmediale.06 wird sich mit dem Thema Humor beschäftigen und mit der Art und Weise, wie Humor als kulturelle und künstlerische Strategie eingesetzt wird. Ein Schwerpunkt wird dabei auf unserem Verhältnis zur Technologie liegen, aber ich bin sicher, dass es auch andere künstlerische Einlassungen geben wird. Wie das Festivalmotto lauten wird, werden wir wissen, wenn die Idee reif ist. Und wann das sein wird, das wissen Sie, lässt sich nur schwer vorhersagen. In jedem Fall aber freuen wir uns schon jetzt auf die lustigen, bitteren, ironischen und lächerlichen Werke, mit denen wir unser Publikum im nächsten Frühjahr überraschen werden.